Weingut Höhn

Dass Wiesbaden auch ausgezeichnete Weinbergslagen hat, ist nur wenigen wirklich bewusst. Klar, der Neroberg ist als solcher vielleicht noch ein Begriff, doch Namen wie Schiersteiner Hölle oder Dotzheimer Judenkirsch machen erst seit ein paar Jahren bei Verkostungen auf sich aufmerksam und die Frauensteiner Lagen galten bis vor kurzem ebenfalls als nicht besonders attraktiv. An der Tatsache, dass nun insbesondere diese Lagen für Aufsehen sorgen, hat das Weingut Höhn großen Anteil. Hier macht man zwar seit über 300 Jahren Wein, doch bis in die 1970er Jahre war das eher Nebensache – bis Senior Wilhelm Höhn 1979 wieder Dotzheimer Weine in der Flasche anbot. Und die waren so gut, dass man zügig expandieren musste, um der Nachfrage Herr zu werden. Man pflanzte in Schierstein, erweiterte zügig die Fläche in Dotzheim, setzte in Frauenstein neue Reben und fand schließlich mit der Fläche unterhalb von Schloss Freudenberg die ideale Lage für ein modernes Betriebsgebäude, in dem die Familie heute ihre Kunden und Gäste begrüßt. Natürlich lockt die Nähe zahlreiche Besucher des interessanten Schlosses, um den aktuellen Jahrgang zu verkosten, ein paar Flaschen mitzunehmen oder gleich das moderne Drive-In zu nutzen, bei dem der Winzer quasi im Vorüberfahren flott die Bestellung in den Kofferraum packt. Doch der wichtigste Grund für eine treue Kundschaft liegt natürlich im Wein selbst. Und der ist ganz erstaunlich.

Rheingau ist gleich Riesling – eine Gleichung, die heute nicht mehr aufgeht, denn der Klimawandel und der wechselnde Geschmack der Weinliebhaber fordern von Winzern eine Flexibilität, die im Weinbau besonders schwierig umsetzbar ist. Junior Jürgen Höhn stellte sich der Herausforderung und erweiterte Schritt für Schritt das Portfolio um Rebsorten wie Chardonnay oder Sauvignon blanc, aber auch Weiß- und Grauburgunder, aus Frauenstein kommt heute nicht nur knackiger Riesling, sondern ein nahezu überwältigend opulenter und dennoch eleganter Merlot und in der Lage Dotzheimer Judenkirsch ergeben Cabernet Sauvignon-Reben einen Rotwein, der sich vor der Konkurrenz aus der Pfalz oder dem europäischen Süden nicht mehr verstecken muss. Das klingt nach wilden Experimenten, doch zeitgeistige Schnellschüsse sind der Familie Höhn völlig fremd. Jeder hier erzeugte Wein trägt vielmehr eine eigene Handschrift, in der man sowohl die Freude an üppiger Frucht als auch an lebendiger Frische und Tiefe herausschmecken kann.

Die spürt man natürlich auch bei den hier ebenfalls mustergültig erzeugten Klassikern aus Riesling und Spätburgunder, den beiden Paraderebsorten der Region. Seit 2017 verfügt das Weingut über Spitzenlagen außerhalb von Wiesbaden und von denen sticht natürlich die Spitzenlage Erbacher Marcobrunn aus dem Sortiment hervor. Die gerade mal 6,7 Hektar teilen sich eine Handvoll Winzer, zu denen nun auch das Weingut Höhn gehört und was hier als Großes Gewächs in die Flasche und schließlich ins Glas kommt beweist, dass man qualitativ bereits an der Rheingauer Spitze mitspielt. Doch ein solcher Spitzenplatz will von ganz unten verdient sein: Bereits der Gutswein als Riesling aus der Literflasche ist mustergültig und zeigt im Duft seine Herkunft aus Erbacher und Hattenheimer Lagen. Apropos: Auch im Hattenheimer Mannberg und Nussbrunnen hat man Anteile, ebenso im Eltviller Sonnenberg und auch in der Kiedricher Sandgrub stehen Reben der Höhns und ergeben einen typischen, feingliedrigen Riesling. Dass Riesling die gar nicht so heimliche Liebe von Jürgen Höhn ist, schmeckt man diesen saftigen, frischen, nicht zu säurebetonten Weinen an, die bereits früh verführerisch, aber auch für längere Lagerung geeignet sind. Der größte Teil der Weine wird trocken ausgebaut – süß bedeutet hier edelsüß und das gibt es natürlich nur in ganz besonderen Jahren.

Spätburgunder ist nicht nur bei den Höhns ein großes Thema, denn der Klimawandel macht nun auch im Rheingau Weine möglich, die man noch vor 20 Jahren für undenkbar hielt. Opulente Tropfen bis zur trockenen Auslese vom Frauensteiner Herrnberg machen nicht nur bei den Kunden Furore und definieren den Begriff Deutscher Rotwein neu. Das sind echte Kracher, die bei Blindverkostungen zu Recht für Verblüffung sorgen, denn die äußerst reizvolle Balance zwischen Eleganz und Kraft, die Pinot Noir in seiner angestammten Region im Burgund in guten Jahren auszeichnet, ist nun auch zunehmend im Rheingau zu finden – wie die Weine der Familie Höhn beweisen. Richtig spannend wird es beim Blick in den Keller, denn neben blitzblanken Inox-Stahltanks stehen derzeit zwei voluminöse, unglaublich schwere und schön anzusehende Granittanks, in denen Riesling aus der Lage Schiersteiner Hölle seiner Vollkommenheit entgegenreift. Über den Tellerrand hinauszuschauen ist hier kein Selbstzweck, sondern dient der Weiterentwicklung, Verfeinerung, Verbesserung des eigenen Weinstils, der immer mehr Freunde findet und die Familie dementsprechend rund um die Uhr beschäftigt. Doch wer den Weg ins Weingut findet, der wird nicht nur mit tollen Weinen belohnt, sondern kann sich auch in der hauseigenen Weinlounge kulinarisch verwöhnen lassen. Und dabei die hervorragende Eignung der Weine als Speisenbegleiter erleben. Falls Sie also mal wieder ins Rheingau fahren, biegen Sie einfach schon früher ab, als gewohnt und besuchen Sie die Höhns – es passt gut, dass das Weingut unterhalb von Schloss Freudenberg liegt, denn hier wohnt sie, die Freude am Wein!

Weingut Höhn, Freudenbergstr. 200, 65201 Wiesbaden, Tel. 0611-7168789, www.weinguthoehn.de

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