Feudo Antico: Der sanfte Riese erwacht

Die Weine Süditaliens sind wie ein faszinierender Zauberkasten: Hier kann man noch echte Perlen entdecken – zum Beispiel die Weine von Feudo Antico.

Das Land zu Füßen des Gran Sasso ist bereits seit der Antike für den Weinbau berufen. Das mächtige Gebirge ist die höchstgelegene Gegend Mittelitaliens, mit Skiliften und allem, was dazugehört. In dieser Region, die schon dem italienischen Robin Hood Fra Diavolo und dem Räuber Rinaldo Rinaldini Unterschlupf bot, gibt es auch heute noch unberührte Wildnis mit Bären und Wölfen in freier Wildbahn, und insbesondere im Frühling kann man hier den Vormittag auf der Skipiste und den Nachmittag am Strand verbringen. In zahlreichen einfachen Gasthäusern, Locanda, Trattoria oder Osteria genannt, werden traditionelle Gerichte angeboten, dazu unterhält man sich meist über Anbautechniken, Jagd und Fischerei. Eine der wenigen Gegenden, in denen das Leben noch nicht so schnell dahinhuscht wie andernorts. In unzähligen kleinen und größeren Weinbergen arbeiten hier viele Hände fleißiger Winzer meist für genossenschaftliche Unternehmen. Bis vor ein paar Jahren war das absolute landwirtschaftliche Highlight hier der Anbau von Krokussen, um kostbare, weltweit gefragte Safranfäden von einzigartiger Qualität zu gewinnen. Jetzt holt der Weinbau auf.

Tullum ist der alte römische Name der Stadt Tollo südlich von Chieti am Fuße der Abruzzen. Tullum ist auch der Name der kleinsten DOCG Appellation Italiens, die erst Mitte 2019 ins Leben gerufen wurde. Feudo Antico heißt sowohl das Weingut als auch das Projekt, einer Region endlich wieder Prestige und Identität zu verleihen, die nach den gewaltigen Zerstörungen und der Vernichtung jeglicher Infrastruktur während des 2. Weltkrieges zum Produzenten günstiger Tischweine degradiert wurde. Die DOCG Tullum ist auch die einzige wirklich territoriale Appellation in den Abruzzen – bisher gab es fast nur Trebbiano und Montepulciano d´Abruzzo. Die Ansprüche an die Verleihung der Ursprungsbezeichnung, die übrigens ausdrücklich auch die ausgezeichneten weißen Rebsorten Passerina und Pecorino zulässt, sind sehr hoch: Die gesamte Produktion ist auf das Gemeindegebiet der kleinen Stadt Tollo beschränkt, die Weinberge müssen in perfekter Ausrichtung angelegt sein, dürfen nicht im Tal oder in Lagen unter 80 Meter über dem Meeresspiegel liegen, und es dürfen pro Hektar nicht unter 3.300 Rebstöcke gepflanzt werden. Es gilt, nach Jahrzehnten der Produktion anonymer Massenprodukte wieder den traditionellen Weinbau zu stärken, der das fragile Ökosystem der gesamten Region schützt. Auch geht es beim Projekt Feudo Antico darum, den Weinbauern die Identifikation mit dem Land und den Stolz auf ihre Weine zurückzugeben, was dieser geschichtsträchtigen Anbauregion beinahe komplett abhandengekommen ist. Wichtige Traditionen werden nun wiederbelebt und mit neuester Technologie in die heutige Weinwelt übertragen. Das Weingut Feudo Antico ist mit dieser Tradition tief verwurzelt, hat aber auch einen sicheren Weitblick, um den komplexen Anforderungen des neuen Weinmarktes gerecht zu werden. Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Biodiversität, biodynamische Landwirtschaft, vegane Weinbereitung und viele wichtige zeitgemäße Faktoren werden hier scheinbar selbstverständlich gelebt und durch eine interessierte, neugierige und aufgeschlossene junge Winzerelite gefördert.

Wussten Sie, dass Montepulciano im Gegensatz zum Vino Nobile di Montepulciano aus der Toskana nicht etwa ein Städtchen, sondern vielmehr eine Rebsorte ist? Und zwar nicht eine x-beliebige, sondern die wichtigste Rotweintraube an der Adria. Sie liebt sandige, kalkhaltige Böden und ist Basis der wichtigsten Rotweine aus den Marken, der Molise und Teilen Apuliens. Neben Montepulciano d´Abruzzo werden auch Rosso Biferno, Rosso Conero, Rosso Piceno und San Severo Rosso aus dieser Rebsorte gekeltert, die im Mittelalter neben dem Sangiovese die wichtigste Traubensorte Italiens war. Auch bei Feudo Antico widmet man sich hingebungsvoll dieser Rebsorte: Der Spitzenwein wurde – wie die gesamte, 2019 endlich zur DOCG aufgestiegene Weinregion – auf den Namen des antiken Ortes Tullum (heute Tollo) getauft und gehört zu den aufregendsten Erzeugnissen der letzten Jahre. Theoretisch umfasst die DOCG Tullum 300 Hektar Land, doch sind es gerade mal 20 Hektar, die von den 20 Winzern, die für Feudo Antico arbeiten, bisher für gut genug befunden wurden. Geringe Erträge und liebevolle Pflege der Rebstöcke (zu 100% Montepulciano) in Verbindung mit modernster Keltertechnik und langem Ausbau in Eichenholzfässern ergeben einen dicht gewobenen, opulenten und dennoch eleganten Wein, der bei festlichen Anlässen insbesondere als blind servierter Wein selbst versierte Kenner zum Staunen bringt.

Sein kleiner Bruder ist ganz aktuell groß rausgekommen: Der Feudo Antico Montepulciano d‘ Abruzzo DOC 2018 aus Erzeugung nach Bio-Standards, bekam von Italiens wichtigstem Weinführer, dem Gambero Rosso, die Höchstnote von drei Gläsern verliehen! Der tiefrubinrote Wein bietet im Duft satte Fruchtnoten von Schattenmorellen – absolut typisch für Montepulciano – sowie Würznoten von Kräutern und Vanille. Am Gaumen präsentiert sich der Tropfen mit einem breiten Spektrum von roten und schwarzen Früchten, bei denen schwarze, vollreife Kirschen dominieren. Veilchen und Röstaromen bestimmen dann den langen Nachhall eines außergewöhnlichen Weines, der ideal zu Ragouts, Braten, BBQ, Lammbraten, reifen Hartkäsesorten, herzhafter Pasta, Aufläufen und natürlich auch zur Pizza passt. Dabei bleibt der Alkoholgehalt mit 13% moderat – die Trauben werden in den Höhenlagen der Region geerntet, in denen die Hitze nicht überhandnimmt und kalte Nächte zusätzlich für Finesse sorgen. Biologische Landwirtschaft ist hier ganz selbstverständlich, denn die komplette Region um Tullum steht ja unter strengstem Naturschutz. Pestizide und Herbizide sind somit tabu, und das schmeckt man mit jedem Glas, denn das Terroir ist voller Leben und ermöglicht die Produktion feinster Weine.